Die Große Transformation und ihre Feinde

Zur Geltung von Nachhaltigkeitsleitbildern am Beispiel Biogas

  • Publikationen 28.09.2012

Eine erfolgreiche Transformation, so die einhellige Forderung, muss nicht nur die Risiken des fossilen Metabolismus, sondern auch die Risiken der Überwindungsstrategie minimieren. Erforderlich ist demnach ein präventives politisches Transformationsmanagement. Es ist aber völlig unklar, ob einer mit derlei Gestaltungsauftrag konfrontierten Politik die Ermöglichung des guten Lebens auch nur ansatzweise zugetraut werden kann. Es ist daher an der Zeit, den normativen Gehalt von Nachhaltigkeitsleitbildern mit ihrer faktischen Geltungskraft zu konfrontieren.

 

Die Studie ist in drei Teile gegliedert. Zu Beginn (Teil I) wird die Skizze eines normativen Leitmotivs mit ihren gesellschaftstheoretischen Geltungschancen konfrontiert. Geprüft wird nicht die Validität einschlägiger Nachhaltigkeitsleitbilder, sondern inwiefern diesen zugetraut werden kann, sich in konkreten Strukturen zu materialisieren. Es zeigt sich, dass eine erfolgreiche Transformationsstrategie nicht innerhalb "fossiler" Paradigmen (bzw. Entscheidungsprämissen) verfolgt werden kann. Auf der anderen Seite ist es sehr unwahrscheinlich, dass einer funktional differenzierten Gesellschaft eine Revision dieser Prämissen gelingen kann. Um die gesellschaftstheoretische Skepsis empirisch prüfbar zu machen, wird das Fundament der Theorie selbstreferentieller Systeme um eine konstellationsstrukturelle Ebene erweitert. Hierdurch entstehen nicht nur Anknüpfungspunkte für eine sozio-technische Systemperspektive, sondern auch sog. middle range Konzepte der Policy-Forschung.

Die so entwickelten Suchbilder werden in den folgenden beiden Teilen auf einen Anwendungsbereich bezogen, der mit Energie- und Landwirtschaft zwei der drei zentralen Transformationsfelder umfasst: Die Bioenergie. Diese ist deshalb eine besonders attraktive Empirie, um die Geltungskraft von Nachhaltigkeitsleitbildern zu erheben, weil ihre Marktchancen vollumfänglich von politischer Förderung abhängig sind. Im zweiten Teil der Studie wird erhoben, inwieweit der Bioenergiepolitik eine Revision fossiler Prämissen gelingt (ex post Perspektive). Welchen Transformationsprozessen sich das Nachhaltigkeitswissen selbst in der politischen Arena ausgesetzt sieht, wird im dritten Teil ausführlich nachgegangen (ex ante Perspektive).

 

Im zweiten Teil kann nachgewiesen werden, dass sich in einer vergleichsweise jungen "Nachhaltigkeitsnische" des Energiesektors wesentliche Zielkonflikte dem politischen Management nicht nur entziehen, sondern gerade in dessen Folge zutage treten. Darüber hinaus muss mit Blick auf den sog. Biomethansektor, der nur teilweise unter dem Schutz der Nische steht und damit als Präzedenzfall eines dem Energiesektor insgesamt bevorstehenden Paradigmenkonflikts gelten kann, von einer umfänglichen "fossilen" Kolonialisierung der Nachhaltigkeitsnische gesprochen werden. Die Nachhaltigkeitspolitik scheitert, weil die Paradigmen und zugrundeliegenden Prämissen fossiler Energieversorgung aus den politischen Transformationsbestrebungen ausgeklammert werden.

 

Im dritten Teil zeigt sich, dass die Bioenergiepolitik lagerübergreifend einem zu den Tonarten der Nachhaltigkeit höchst dissonanten Generalbass zu folgen hat. Politische Geltung kann allenfalls unter Aussparung jener Prämissenrevision erlangt werden, die jeder erfolgreichen Nachhaltigkeitstransformation zwingend vorauszugehen hat. Es entspricht dem politischen Tod des Leitbilds, wenn sich vor diesem Hintergrund ein sozusagen mechanischer Austausch der Ressourcenbasis vollzieht. Das ist die Unwahrscheinlichkeit der Großen Transformation: Dass ihre größten Feinde ihre Freunde sind.

 

 

Andreas Jordan:

Die Große Transformation und ihre Feinde

Zur Geltung von Nachhaltigkeitsleitbildern am Beispiel Biogas

Metropolis Verlag, Marburg, 2012

(Ökologie und Wirtschaftsforschung, Bd. 92)

594 Seiten

49,80 Euro (D)

ISBN 978-3-89518-928-9


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