Wie nachhaltig ist Forschung zu "Nachhaltiger Energie"?

Artikel von Manuel Bickel untersucht Forschungsfeld hinsichtlich dessen Nachhaltigkeit

  • News 04.03.2020

Eines der zentralen Ziele der Großen Transformation ist es, ein nachhaltiges Energiesystem zu etablieren. Die Wissenschaft spielt für die damit in Verbindung stehenden gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse eine wichtige Rolle, insbesondere der Teilbereich der sich mit "Nachhaltiger Energie" befasst. Die Themen und Ideen, die in diesem Wissenschaftsbereich zirkulieren, sind daher hochrelevant für die Weichenstellung hinsichtlich der Entscheidungen wie das zukünftige Energiesystem gestaltet wird. Ob die Ideen in diesem Bereich, der sich selbst als "nachhaltig" bezeichnen, tatsächlich zur Etablierung eines nachhaltigen Energiesystems beitragen, ist keinesfalls selbstverständlich. Um die Struktur und Ausrichtung des Forschungsbereich zu "Nachhaltiger Energie" besser zu verstehen und mögliche Lücken aufzuzeigen, untersucht die Studie "Reflecting trends in the academic landscape of sustainable energy using probabilistic topic modeling" von Manuel Bickel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Produkt- und Konsumsysteme in der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut, daher die globale thematische Forschungslandschaft.

Die Studie analysiert dafür mit modernen Text-Mining-Methoden über 25.000 wissenschaftliche Abstracts, die seit 1990 veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Forschungsfeld den Aufbau und die Optimierung der Energieinfrastruktur hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien mittels moderner technologischer Schlüsselbereiche in den Fokus nimmt. Dazu gehören die Materialwissenschaft, (biologische) Verfahrenstechnik und (digitale) Überwachungs- und Steuerungssysteme. Das Ergebnis der Studie zeigt den Trend, der zunehmend auch in Richtung Energiespeicherung, photonische Materialien (etwa für Solarzellen oder künstliche Photosynthese), Nanomaterialien oder Biokraftstoffe geht. Abnehmende Trends sind insbesondere für Aspekte zu erkennen, die sich auf nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen und die damit verbundenen wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Fragen beziehen.

Daraus schlussfolgert der Autor der Studie, dass der Diskurs latent einem technologieorientierten Paradigma folgt und damit zwar wichtige Beiträge zur Etablierung eines nachhaltigen Energiesystems leisten kann, jedoch zum Beispiel sozialwissenschaftliche oder psychologische Ansätze nur zweitranging berücksichtigt. Die integrative und globale Perspektive, die das Forschungsfeld ursprünglich motivierte, stellt derzeit keinen zentralen Bezugspunkt in diesem Forschungsfeld dar. Ein vielschichtiges Konzept von Nachhaltigkeit, wie es beispielsweise in der sozial-ökologischen Forschung üblich ist, wird im globalen Forschungsbereich "Nachhaltige Energie" zurzeit nicht verwendet.
Um nachhaltige Energiesysteme zu etablieren, müsse die zukünftige Forschung nicht nur auf die technische Infrastruktur abzielen, sondern auch einen deutlichen Fokus auf Fragestellungen legen, die nur mit einer ganzheitlichen Perspektive erkannt und beantwortet werden können. Manuel Bickel ergänzt: "Künftig sollte das Wechselspiel zwischen dem Energiesystem und Stoffströmen – beispielsweise Energieeffizienz versus Materialeffizienz – mehr berücksichtigt und die Sozialwissenschaften stärker eingebunden werden."

Der Open-Access-Artikel ist beim Springer-Verlag in "Energy, Sustainability and Society" in englischer Sprache erschienen und im untenstehenden Link abrufbar.


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