Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat eine weltweite Energiepreiskrise 2022/2023 ausgelöst – und die Debatte über die Atomenergie als möglichen Lösungsbeitrag für Klimaschutz und Energiesicherheit wiederbelebt. Dabei dienen in der öffentlichen Debatte einzelne Atomkraftwerke als Referenztechnik für eine relativ C02-arme Form der Stromerzeugung – ohne die Rahmenbedingungen dieser Technik in dynamischer Perspektive zu beachten.
Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor am Wuppertal Institut, Anna Röttger, Teamassistenz am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und ehemalige Mitarbeiterin am Wuppertal Institut, sowie Fabian Präger und Prof. Dr. Christian von Hirschhausen von der Technischen Universität Berlin, legten nun das Impulspapier "Das Atomstromsystem bremst die sozial-ökologische Transformation zur Dekarbonisierung" vor. Der Debattenbeitrag fokussiert auf systemische Transformations-Hindernisse im und durch das Atomenergiesystem. Das Ergebnis der Studie: Der globale Beitrag der Kernenergie zum Klimaschutz bleibe auch unter förderlichen Rahmenbedingungen sehr begrenzt. Daneben werde die anstehende beschleunigte Transformation zur Klimaneutralität durch systemische Logiken der Kernenergie eher behindert als gefördert.
Weltweite Daten zeigen, dass erneuerbare Energien die Kernenergie bereits heute in der Stromerzeugung überholt haben. Die meisten Szenarien gehen davon aus, dass sich Erneuerbare und Energieeffizienz in einem verstärkendem Aufwärtstrend weiterentwickeln. Die Kernenergie wirke hingegen als Innovationshemmnis und Investitionsbarriere für klimafreundlichere und risikoärmere Technologien der Energie- und Materialeffizienz und der erneuerbaren Energien, so die Autor*innen. Das liege auch daran, dass das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens zur Jahrhundertmitte nicht allein durch Technologie erreichbar sei. Dafür sei vielmehr eine beschleunigte globale sozial-ökologische Transformation erforderlich – eine Voraussetzung, die ein Atomenergiesystem nicht erfüllen könne.
Daneben zeigt der Diskussionsbeitrag Wirkungszusammenhänge des Atomenergiesystems auf, die den gesellschaftlichen Transformationsprozess hemmen – etwa wachsende Unwirtschaftlichkeit, lange Kapitalbindung, Kumulierung von Risiken, unlösbare Akzeptanzprobleme und Blockierung von Alternativen. Um weitere Optionen für eine rasche Transformation zur Klimaneutralität zu erschließen, werden neben den vorwiegend technologischen Strategien Effizienz und Konsistenz (erneuerbare Energie) auch Suffizienz-Strategien (Lebensstiländerungen) und eine Kreislaufwirtschaft benötigt, die mit der großtechnischen Systemlogik der nuklearen Energieproduktion nicht in Einklang zu bringen sind.
Daher plädieren die Autor*innen für eine konsequente Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien sowie die Förderung von Energieeffizienz, Suffizienz-Politik und Kreislaufwirtschafts-Strategien. Dies betreffe nach Ansicht der Autor*innen nicht nur Fragen der Risikominimierung und der Energieunabhängigkeit, sondern auch die globale Sicherheit und politische Stabilität.
Das Diskussionspapier steht über den folgenden Link kostenfrei zum Download bereit.
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