Wohnraum für Millionen ohne Neubau?

Paper veröffentlicht: EU-Gebäudebestand bietet theoretisches Potenzial für zusätzlichen Wohnraum für rund 100 Millionen Menschen

  • News 22.01.2025

Forschende der Europa-Universität Flensburg und des Wuppertal Instituts haben analysiert, wie viele Menschen in der EU durch effizientere Nutzung unterbelegter Gebäude eine Wohnung finden könnten: Das theoretische Potenzial liegt demnach bei rund 100 Millionen Menschen – fast ein Viertel der EU-Bevölkerung. Das berichten die Forschenden in ihrem Paper "Housing for millions without new buildings? An analysis of the theoretical housing potential of under-occupied dwellings in the European building stock", das kürzlich im Journal "Environmental Research Letters" veröffentlicht wurde. Um dieses Potenzial zu heben, müsste die bestehende Unterbelegung vieler Wohnungen reduziert werden: Wenn sich die Wohnsituation ändert, etwa durch den Auszug der Kinder, müssten Menschen aus unterbelegten Wohnungen in kleinere Wohnungen umziehen, weitere Mitbewohner*innen aufnehmen oder die Wohnung in kleinere Einheiten aufteilen.

Ausgangspunkt der Berechnungen sind Belegungsvorgaben von Schweizer Genossenschaften und kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, nach denen die Anzahl der Zimmer – vereinfacht gesagt – nur ein oder zwei Räume über der Anzahl der Bewohner*innen liegen darf. Diese Vorgabe wird in der Schweiz umgangssprachlich auch "Zimmerregel" genannt. Sie diente den Forschenden als praxiserprobte, vergleichsweise breit akzeptierte Obergrenze für bedarfsgerechtes Wohnen. Aus der Kombination der Zimmerregel und Daten der EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen haben die Forschenden ermittelt, dass im EU-Gebäudebestand ein theoretisches Wohnungspotenzial von etwa 152 Millionen Zimmern besteht. Umgerechnet in Dreizimmerwohnungen wären das rund 50 Millionen zusätzliche Wohnungen – oder Wohnraum für 100 Millionen Menschen, was 23 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung entspricht.

"Das ist erstmal nur ein theoretischer Wert, den wir unabhängig von seiner technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Praktikabilität berechnet haben. Deshalb sprechen wir in unserem Paper auch von theoretischem Wohnraumpotenzial," erklärt Johannes Thema, Senior Researcher im Forschungsbereich Energiepolitik am Wuppertal Institut und Mitautor der Studie. Auch wenn dieses theoretische Potenzial für mehr Wohnraum und Umweltschutz bei Weitem nicht ausgeschöpft werden könne, sei die Größenordnung trotzdem enorm, so der Hauptautor der Studie, Jonas Lage von der Europa-Universität Flensburg: "Mit Vorgaben wie der Schweizer Zimmerregel ließe sich die Wohnungsknappheit auch ohne massenhafte Neubauten effektiv lindern. Gleichzeitig würden so auch die enormen Emissionen, der Rohstoffverbrauch, das Abfallaufkommen und die Flächenversiegelung reduziert, die durch Neubauten entstehen." Der Bausektor in der EU ist verantwortlich für fünf bis zwölf Prozent der CO2-Emissionen, etwa die Hälfte aller in der EU entnommenen Rohstoffe und mehr als ein Drittel der Abfälle.

Das Paper ist im Open Access erschienen und steht über den folgenden Link kostenfrei zum Download bereit.


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