Deutscher Erdüberlastungstag: Ressourcen am Limit

Ein Statement von Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts

  • Statements 28.04.2025

In den vergangenen Monaten haben uns Ereignisse wie die anhaltenden geopolitischen Spannungen in vielen Teilen der Welt, die auf allen Kontinenten zunehmenden Extremwetterereignisse und die fortschreitenden Renationalisierungstendenzen eindringlich vor Augen geführt, wie verwundbar unsere global vernetzten Systeme sind. Diese Krisen verdeutlichen die Dringlichkeit einer umfassenden ökologischen und sozialen Transformation hin zu nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweisen.​

Der deutsche Erdüberlastungstag, der in diesem Jahr auf den 3. Mai fällt, markiert den Zeitpunkt, an dem wir in der Bundesrepublik rechnerisch so viele natürliche Ressourcen verbraucht haben wie innerhalb eines Jahres nachwachsen, beziehungsweise so viel CO2 ausgestoßen haben, wie in Wäldern und Ozeanen im Jahresverlauf gebunden werden kann. Würden alle Menschen weltweit so leben wie wir, dann bräuchten wir drei Erden, um unseren Ressourcenbedarf zu decken – anders ausgedrückt: Ab dem Tag "leben wir auf Pump". Diese Ressourcen-Übernutzung bedroht weltweit – aber auch bei uns – die Lebensgrundlagen, schwächt unsere Krisenfestigkeit und gefährdet unsere Versorgungssicherheit – und verschärft zudem soziale Ungleichheiten. Wir müssen daher dringend handeln, denn ein "Weiter so" führt uns zwangsläufig in eine ökologische und ökonomische Sackgasse. Dabei geht es nicht (nur) darum, das Verhalten anzupassen, sondern auch die Strukturen zu verändern.

Die aktuellen geopolitischen Polykrisen zeigen: Unser hoher Ressourcenverbrauch macht uns anfällig für externe Schocks. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und importierten Rohstoffen hat das Potenzial, unsere Energieversorgung und Wirtschaft zu destabilisieren. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr haben wir in Deutschland rund 3.400 Tonnen an Seltenen Erden, die unter anderem für die Herstellung vieler Klimaschutztechnologien notwendig sind, direkt aus China importiert. Das waren mehr als zwei Drittel unserer Gesamtimporte an Seltenen Erden. Den weit überwiegenden restlichen Anteil haben wir aus Österreich eingeführt, einem der wenigen europäischen Länder, die Seltene Erden weiterverarbeiten – und die ihre Ausgangsrohstoffe vermutlich auch zu hohen Anteilen aus China beziehen.
Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, unsere Energie- und Ressourcensysteme resilienter zu gestalten und als zentralen Schritt dafür Energie- und Ressourceneffizienz Priorität einzuräumen.​

Ökologische und soziale Aspekte miteinander verknüpfen

Um den Erdüberlastungstag deutlich nach hinten zu verschieben, müssen wir unseren ökologischen Fußabdruck erheblich reduzieren – und das ist auch möglich, die Strategien sind bekannt und umsetzbar: Dazu gehört die drastische Senkung des CO2-Ausstoßes, die Förderung einer Kreislaufwirtschaft und die Umstellung auf nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster. Beispielsweise können wir durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Förderung von Sharing-Konzepten und die Reduktion des Fleischkonsums erhebliche Fortschritte erzielen. Diese Maßnahmen tragen zudem nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern erhöhen auch unsere Versorgungssicherheit und verringern – richtig aufgesetzt – soziale Ungleichheiten.

Die Energiepreiskrise, verbunden mit dem Risiko der physischen Verknappung von Energie im Zuge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, haben gezeigt, dass kurzfristige Verhaltensänderungen möglich sind: So ging der Erdgasverbrauch in Deutschland im Jahr 2022 über alle Sektoren hinweg um mehr als 15 Prozent zurück – eine Größenordnung, die im Vorfeld niemand für möglich gehalten hätte. Allerdings haben sich diese Einsparungen nicht verstetigt, die Energieverbräuche sind längst wieder angestiegen. Es ist daher entscheidend, dauerhafte strukturelle Veränderungen herbeizuführen, die nachhaltiges Verhalten fördern und erleichtern.​

Dabei ist zu beachten, dass die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit eng miteinander verknüpft sind. Eine erfolgreiche Transformation erfordert daher integrative Ansätze, die ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe verbinden. Dies beinhaltet eine gerechte Lastenteilung, die Schaffung fairer Arbeitsbedingungen, den Zugang zu Bildung für alle und die Förderung von Gemeinschaften, die resilient gegenüber externen Schocks sind.​

Es ist an der Zeit, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft jetzt konsequent die notwendigen Schritte einleiten, um unseren Planeten für zukünftige Generationen zu bewahren. Nachhaltigkeit muss dafür zum Standard im Alltag aller werden und nachhaltiges Verhalten für alle möglich gemacht werden. Denn: Jeder Tag, um den wir den Erdüberlastungstag nach hinten verschieben können, ist ein Gewinn für kommende Generationen.


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