Im Dezember 2024 konnte sich die Staatengemeinschaft trotz zahlreicher Ambitionen und Gespräche im südkoreanischen Busan nicht auf ein globales Plastikabkommen einigen. Die einwöchige Konferenz mit fast 4.000 Teilnehmenden verlief schleppend und für Beobachter*innen intransparent: Bereits am dritten Verhandlungstag wurden Zugangsbeschränkungen für Beobachter*innen zu den Verhandlungsräumen festgelegt und die letzten vier Verhandlungstage fanden vollständig unter Ausschluss von Beobachter*innen statt. Schon die ersten Tage zeigten, wie schwierig die Diskussionen werden würden. Insbesondere die Diskussionen um Verbote und Reduktion bedenklicher Chemikalien und Kunststoffe sowie Finanzierungsfragen führten zunächst zu einem Stagnieren und dann später anschließenden Scheitern der Gespräche. Da der Handlungsdruck aber weiter groß ist, sind die Erwartungen an die für 2025 angesetzte, aber noch nicht terminierte Verhandlungsrunde, hoch.
Bedenkliche Chemikalien und Kunststoffe
Artikel 3 des verhandelten Plastikabkommens soll bedenkliche Chemikalien und Kunststoffe behandeln. Hierzu wurden von mehreren Staaten Textentwürfe vorgestellt, da diese im Non-Paper – einem kurzen Vertragsentwurf, der durch das Sekretariat des Verhandlungskommittees zusammengestellt wurde – noch fehlten. Zentrale Ideen dieser Klausel, die von einer Mehrheit der verhandelnden Staaten unterstützt werden, sind Verbote und Produktionsbegrenzungen bzw. schrittweiser Ausstieg für bestimmte Plastikprodukte sowie Chemikalien, die in Plastikprodukten verwendet werden. Russland, Kuwait, Saudi-Arabien und weitere ölproduzierende Staaten lehnten die Vorschläge zu bedenklichen Chemikalien und Kunststoffen jedoch gänzlich ab.
Mit zunehmendem Verhandlungsverlauf haben dabei zahlreiche Mitglieder der sogenannte Like-Minded Group – einer Gruppe von erdölproduzierenden Staaten unter der Führung von Saudi-Arabien und Iran – dem Vorsitzenden des Verhandlungskommittees gegenüber sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Klausel insgesamt abgelehnt wird. In ihren Augen liegt Artikel 3 des Vertrages außerhalb des Mandats des Verhandlungskommittees, wodurch Gespräche schlichtweg nicht möglich seien. Als Gründe für diese Ablehnung wurden genannt, dass andere multilaterale Umweltschutzabkommen bereits Chemikalien adressieren und dieses Themenfeld deshalb dort angesprochen werden sollte, dass es sich vorliegend um einen Vertrag zu Kunststoffen, und nicht zu Chemikalien handele und dass ein Verbot von Chemikalien in Kunststoffen nicht verhindere und in anderen Produkten zum Einsatz kämen.
Kontroverse Diskussionen zu Finanzierungsfragen
Auch die in Artikel 11 des geplanten Vertrages enthaltenen Fragen zu Finanzierungsmodalitäten waren einer der kontroversesten Diskussionspunkte. Ein sehr strittiger Punkt ergab sich hinsichtlich der Fragestellung, ob es eine Eingruppierung von Staaten in "developed countries" (d. h. im Wesentlichen die Gruppe der Industrieländer) und "developing countries" geben sollte. Hintergrund ist die Diskussion darüber, wer Finanzierungshilfe gewährleisten und wer sie erhalten soll. Einer der Vorschläge war dabei die häufig genutzte Unterscheidung zwischen "developed countries", die im Kern Finanzierung gewährleisten sollten, und "developing countries", die im Wesentlichen eine Berechtigung zur Inanspruchnahme finanzieller Unterstützung erhalten sollten. Während einige Länder aus dem Globalen Süden auf diese Zweiteilung pochten, haben sich einige Länder aus dem Globalen Norden eher kritisch dazu geäußert und von dieser einfachen Zweiteilung abweichende Formulierungen bevorzugt. Außerdem wurden zahlreiche Formulierungsvorschläge eingebracht, welche entweder die Zweiteilung zu überwinden versuchten oder besondere Finanzierungsbedürfnisse bestimmter Staatengruppen berücksichtigen, wie etwa Small Island Developing States.
Einschätzung der Konferenz-Ergebnisse
Ein UN-Plastikabkommen konnte unter diesen Umständen nicht ausgehandelt werden. Der am 1. Dezember 2024 vom Vorsitzenden der Verhandlungsrunde angefertigte "Chair's Text" ist das wesentliche tangible Ergebnis der bisherigen Verhandlungen. Insgesamt bringt dieser Text den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen gut zu Papier, jedoch gibt es immer noch recht viele alternative Zugänge für verschiedene Themenbereiche – zum Teil sogar die Option, ganze Themenbereiche herauszulassen. Daneben wurden zahlreiche Formulierungsalternativen eingefügt, sodass sich das Dokument nach über zwei Jahren Verhandlungen noch immer nicht wie ein Vertragstext liest. Der Text wird zum Teil als nicht ambitioniert genug angesehen und manche Staaten lassen durchblicken, dass sie lieber keinen Vertrag als einen schwachen Vertrag anstreben. Die Delegation von Ghana äußerte sich beispielsweise explizit in diese Richtung.
Fazit und Ausblick für 2025
Dass kein Abkommen unterzeichnet wurde, ist zunächst als Rückschlag für die internationale Umweltdiplomatie zu werten. Dies darf jedoch nicht entmutigen: Im Gegenteil sollte durchaus als vorübergehender Erfolg gewertet werden, dass über zwei Jahre intensiv um ein Plastikabkommen gerungen wurde, zahlreiche Stakeholder involviert waren, viele politische und wissenschaftliche Analysen rund um Kunststoffe sowie die Vertragsverhandlungen entstanden sind und sich klar herauskristallisierte, was die zentralen Probleme für eine internationale Plastikgovernance sind. Das Thema Plastikproduktion und -verwendung hat hierdurch eine erhöhte globale Aufmerksamkeit erlangt.
Verbote, Produktionsreduktion und Finanzierungsfragen wurden schon früh in den Verhandlungen zu einem zentralen Diskussions- aber auch Streitpunkt gemacht. Die deutliche Ablehnung der Like-Minded Group konnte dabei trotz intensiver Gespräche und Kompromissangebote nicht abgebaut werden. Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips konnte schlussendlich kein Vertragstext verabschiedet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass im Rahmen der Vertragsverhandlungen die große Komplexität des Themenfeldes Kunststoffe zu Tage getreten ist: Zahlreiche Staaten und nichtstaatliche Akteur*innen haben – durchaus zu Recht – auf unterschiedlichste Aspekte von Kunststoffen verwiesen und sich dafür eingesetzt, diese in den Verhandlungen widerzuspiegeln. Bereits der Kernaspekt, also die Umweltbelastungen durch Kunststoffe, ist äußerst vielschichtig und zum Teil wissenschaftlich noch nicht ausgeforscht. Hinzu kommen zahlreiche soziale Aspekte, insbesondere makroökonomische Auswirkungen durch eine Reduktion der Produktionsmengen oder gar Schließung petrochemischer und kunststoffherstellender Industrien oder ökonomische Einbußen von sogenannten Waste Pickern, also informell im Abfallmanagement tätigen Personen.
Am letzten Verhandlungstag einigten sich die Delegierten der verhandelnden Staaten schließlich darauf, im Verlauf des Jahres 2025 eine weitere Verhandlungsrunde abzuhalten. Zeit und Ort wurden allerdings nicht festgelegt. Viele Staaten sprachen sich für eine zügige Fortführung der Verhandlungen aus, während Staaten, die den Verhandlungen insgesamt kritischer gegenüberstehen, eine Fortführung vor der zweiten Jahreshälfte 2025 tendenziell nicht befürworten. Ist der Termin gefunden – bestenfalls noch in diesem Jahr – dann wird es entscheidend darauf ankommen, welche Lösungen für die Diskussionen um Artikel 3 und Artikel 11 gefunden werden. Insbesondere Verbote und Ausstiegsfahrpläne (Phase-Out) müssen adäquat bearbeitet und die Verhandlungsblockaden überwunden werden. Wichtig ist hierbei, dass ölproduzierende Staaten unbedingt Teil des Abkommens sind, da sich ohne sie keine strukturellen Probleme des Plastikproblems beheben lassen. Es geht im nächsten Schritt darum, kompromissfähige Wege zu finden und dafür, soweit es geht, robuste Brücken zwischen den vielfältigen Länderinteressen zu bauen.
Die inoffiziellen diplomatischen Austausche zwischen Staaten im Vorfeld der geplanten Verhandlungsrunde werden insofern von entscheidender Bedeutung sein, um die Debatten um das Plastikabkommen auf eine funktionierende Grundlage zu stellen. Der aktuelle Chair’s Text ist trotz seiner Schwächen eine gute Grundlage, um Gespräche zu ermöglichen und Optionen auszuloten. Die Textvorschläge zu Artikel 3 und Artikel 11 sind äußerst lang, weisen viele Formulierungsalternativen auf und ermöglichen verbindliche und unverbindliche Maßnahmen.
Unter Berücksichtigung der Dringlichkeit, mit der die laufende Plastikkrise gelöst werden muss, bleibt nur zu hoffen, dass die verhandelnden Staaten kreative Lösungen und Umwege finden, um bestehende Blockaden zu überwinden.
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