Industrielle Produktion treibhausgasneutral gestalten

Studie zur Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie innerhalb des Projekts DekarbInd erschienen

  • News 15.01.2024

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden – doch allein 2022 emittierte die deutsche Industrie noch etwa 164 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Damit entfällt auf sie mehr als ein Fünftel der nationalen Treibhausgas-Emissionen. Etwa zwei Drittel der industriellen Emissionen stammen aus der energieintensiven Industrie, wovon wiederum die Hälfte von der Stahl- und Zementindustrie verursacht wird. Aufgrund ihrer prozessbedingten Emissionen sowie hoher Prozesstemperaturen gestaltet sich die Dekarbonisierung hier besonders herausfordernd. Für ihr Gelingen sind innovative technologische Konzepte und langfristig angelegte politische Rahmenbedingungen essentiell, um der Industrie Planungssicherheit für notwendige Investitionen zu geben.

Genau hier setzt das vom Umweltbundesamt beauftragte Projekt DekarbInd an: Darin entwickelten Forschende des Wuppertal Instituts und des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung ISI unter anderem Eckpunkte für Roadmaps zur Dekarbonisierung der Stahl- und Zementindustrie. In mehreren Dutzend Workshops sowie weiteren Dialogformaten tauschten sich Stakeholder aus Wirtschaft, Industrie, Verbänden, gesellschaftlichen Interessengruppen, Politik, Behörden und Wissenschaft über zwei Jahre hinweg partizipativ aus. In diesem Zeitraum wurden jeweils Roadmaps erstellt. Beide beinhalten gemeinsam erarbeitete Visionen und mögliche Transformationspfade (zum Beispiel Phase-Out fossiler Brennstoffe), die Identifikation von Treibern und Hemmnissen (etwa steigende CO2-Preise oder fehlende Wirtschaftlichkeit) sowie die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen und Handlungsfelder (beispielsweise Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen). Für beide in dem Projekt beispielhaft untersuchten energieintensiven Industriebranchen Stahl und Zement liegt die Vision einer Dekarbonisierung bis 2050 zugrunde unter den Randbedingungen, dass die Industriezweige sowohl global wettbewerbsfähig bleiben als auch weiterhin ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen.

Vision und Roadmap für 2050: Dekarbonisierung der Stahlindustrie

Um die Stahlindustrie entsprechend zu transformieren, scheint vor allem der Bau neuer, mit grünem Wasserstoff betriebener Direktreduktionsanlagen vielversprechend – auch, wenn der Einsatz von Wasserstoff teurer als die bisher genutzte Kohle ist. Außerdem sollen die Altmetall-Anteile in der Stahlproduktion erhöht sowie die Dekarbonisierung der Elektrostahl-Produktion vorangetrieben werden. Haupthindernisse für den Wandel sind derzeit ein noch offener regulatorischer Rahmen, zudem fehlt bislang eine handelsübliche Definition für "grünen" Stahl.
Hier sollten Maßnahmen direkt ansetzen: Es könnten einheitliche Standards für die Bilanzierung der CO2-Intensität von Stahlprodukten helfen, die Entstehung von Leitmärkten für grünen Stahl zu begünstigen. Auch sollte das "Fit für 55"-Paket stellenweise konkretisiert werden. Denn dieses schafft verbindliche Rechtsvorschriften, um das Treibhausgas-Reduktionsziel der EU von 55 Prozent bis 2030 zu erreichen. Um dem Mangel an hochwertigem Stahlschrott entgegenzuwirken, der vor allem auf fehlende Recycling-Geschäftsmodelle und eine schlechte Wiederverwendbarkeit von Endprodukten zurückzuführen ist, könnte eine bessere Produktregulierung sowie eine verbesserte Förderung von Forschung und Entwicklung dem entgegenwirken.

Vision und Roadmap für 2050: Dekarbonisierung der Zementindustrie

Die Vision, die Zementindustrie bis spätestens 2050 zu dekarbonisieren, lässt sich nur in der Kombination verschiedener Hebel realisieren. Zum einen müssen abfallbasierte und erneuerbare Energien wie grüner Strom oder grüner Wasserstoff im Klinkerbrennprozess fossile Brennstoffe vollständig ablösen. Daneben ist hinsichtlich der nachgelagerten Wertschöpfungskette die Entwicklung und Markteinführung neuer CO2-reduzierter Zemente und materialeffizienter Betonbautechniken vielversprechend. Sie sollten daher weiter erforscht und frühzeitig in die Anwendung gebracht werden. Insbesondere für das Auffangen der prozessbedingten CO2-Emissionen beim Brennen von Zementklinker als Ausgangsstoff für Zement ist aus heutiger Sicht außerdem Carbon Capture and Usage or Storage (CCUS) erforderlich. CCUS bezeichnet die Wiederverwendung oder alternativ das Einfangen und die sichere, permanente Lagerung von CO2. Für diese verbleibenden, nicht anderweitig vermeidbaren CO2-Mengen ist spätestens ab circa 2030 sukzessive und im industriellen Maßstab der Aufbau von CO2-Abscheideanlagen an Klinkeröfen erforderlich. Als wichtigste Handlungsfelder werden mittel- und langfristig eine kontinuierliche Weiterentwicklung von gesetzlichen Regelwerken und Rahmenbedingungen gesehen.

Ganzheitliches Bewertungsschema für Technologien

Neben den auf die Zukunft ausgerichteten Roadmaps wurde im Projekt DekarbInd auch ein stärker auf die gegenwärtige Anwendung von klimaneutralen Technologien abzielendes ganzheitliches Bewertungsschema entwickelt. Neben rein techno-ökonomischen Kriterien spielen ökologische, soziale und systemische Aspekte bei industriellen Technologien eine wichtige Rolle. Das im Projekt entwickelte Entscheidungsinstrument auf Excel-Basis soll helfen, langfristige Entwicklungen zu berücksichtigen und mögliche Einschränkungen und Konflikte sowie Potenziale oder auch Lock-in-Effekte von Technologien frühzeitig zu erkennen.

Die Studie zum Bewertungstool (Teilbericht 1), zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie (Teilbericht 2) und zur Dekarbonierung der Zementindustrie (Teilbericht 3) sind auf der Website des Umweltbundesamtes in den nachfolgenden Links kostenfrei verfügbar.


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