Peter Hennicke folgt Ernst Ulrich von Weizsäcker am Wuppertal Institut

Prof. Dr. Peter Hennicke, Vizepräsident und Direktor der Energie-Abteilung wird zum 1. November 2000 zum - kommissarischen - Nachfolger von Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker berufen.

  • Pressemitteilungen 30.10.2000

Dies teilt der Aufsichtsratsvorsitzende des Instituts, Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch, Chef der Staatskanzlei NRW mit. Für Personal und Finanzen bleibt wie bisher die Geschäftsführerin Brigitte Mutert verantwortlich. Dr. Kora Kristof wird kommissarische Leiterin der Energieabteilung.

 

Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftführer des Wuppertal Instituts, verläßt das von ihm 1991 gegründete Institut zum 31. Oktober 2000. Als SPD-Bundestagsabgeordneter wird er sich insbesondere der Arbeit der Enquête-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft", die er leitet, widmen.

 

Die bei der Gründung formulierte programmatische Zielsetzung - sich wissenschaftlich-praxisbezogen sowohl mit den weltweiten ökologischen Herausforderungen als auch mit der komplexen Aufgabe eines ökologischen Strukturwandels zu beschäftigen - erhielt schnell konkrete Konturen. Weizsäcker holte alsbald renommierte Vordenker und Querdenker ans Institut, deren wissenschaftliche Arbeit zwischen die universtären Lehrstühle fällt, der Fachwelt jedoch zu jeder Zeit Respekt abgewann.

 

Die renommierte ZEIT fand für den Präsidenten des Wuppertal Instituts eine bildreiche Chiffre: "Guru vom Döppersberg".

 

In kurzer Zeit wurde aus der Denkstatt ein Vorzeigeprojekt für Politikberatung. Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie Verbandsvertreter gaben sich die Klinke in die Hand. Universitätsseminare und Leistungskursveranstaltungen finden im Wuppertal Institut statt.

 

Das Institut schaffte das, was wissenschaftlichen Instituten selten gelingt: einen gesellschaftspolitischen Diskurs in Gang zu bringen. Die Stadt, die das renommierte Institut beherbergt, erhielt neben der Schwebebahn und Pina Bausch ein weiteres Highlight.

 

Nachhaltige Entwicklung, auf der Konferenz von Rio 1992 als ökologisches Maß aller Dinge verankert, wurde zum beherrschenden Leitthema des Wuppertal Instituts. In Weizsäckers Worten erfordert der Weg dorthin "die Halbierung des weltweiten Naturverbrauchs, einhergehend mit der Verdoppelung des weltweit zur Verteilung kommenden Wohlstands". Und dies, so folgert er, erfordert eine "dramatische Steigerung der Ressourcenproduktivität". In seiner Bildsprache heißt das, aus einem Faß Öl viermal soviel Energie herauszuholen wie bisher. Diesem Gedankengebäude gab Weizsäcker einen neuen Namen: Faktor vier. Mit der Ausformulierung seines Faktor-Vier-Konzepts gelang ihm 1995 auch ein publizistischer Wurf: Sein Buch "Faktor Vier", erschienen in dem renommierten Verlag Droemer-Knaur München, wurde zum Bestseller. Auch hier obsiegte sein Talent - durch viele anschauliche Beispiele aus der industriellen Praxis und aus dem täglichen Leben, zum Anfassen sozusagen - zehntausende Leser zu begeistern und sie von der Notwendigkeit der Effizienzrevolution zu überzeugen.

Durch Weizsäcker verlor die Ökologie die Attitüde des Klassen- und Straßenkampfs der siebziger und achtziger Jahre. Die Wirtschaft war nicht mehr Feind per se. Die Industrie muß und wird, davon sind er und viele seiner Mitarbeiter überzeugt, zum Partner einer strategischen Allianz werden, die den "Natur- und Energieverbrauch drastisch senken wird".

 

Durch seine rastlose PR-Arbeit erhielten Begriffe wie Ökoeffizienz, Effizienzrevolution und Ressourcenproduktivität eine publizistische Dynamik. Ökoeffizienz, bemerkt er unbescheiden, sei längst "zu einer Leitvokabel für eine Reihe von großen Konzernen geworden, die durch die Aktivitäten des schweizer Milliardärs Stephan Schmidheiny - häufiger Gesprächspartner von von Weizsäcker - im World Business Council for Sustainable Development zusammengeschlossen sind. Überhaupt: Diese Kreise lassen sich von Ernst Ulrich von Weizsäcker häufig die Leviten lesen, weil, so sagt ein hochrangiger Manager "immer viel Wahres dran ist an dem, was er an Einsichten in Richtung ökologischen Strukturwandel einfordert".

 

Prof. Hennicke und sein Team haben in den letzten Jahren das Institut durch ihre Arbeit entscheidend geprägt und durch Konzepte wie Einsparkraftwerk, Dienstleistungwirtschaft und Ökonomie des Vermeidens die energiepolitische Diskussion in der Bundesrepublik entscheidend mitgeprägt.

 

Der promovierte Ökonom wurde nach seiner Habilitation mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik als Professor an die Universität Osnabrück berufen. Praktische Erfahrungen zum Thema Umsetzung und anwendungsbezogene Weiterentwicklung energiewirtschaftlicher Konzepte sammelte er während einer Beurlaubung von seiner akademischen Tätigkeit in der Unternehmensplanung eines regionalen Versorgungsunternehmens sowie als Referent für Grundsatzfragen der Energiepolitik im Hessischen Ministerium für Umwelt und Energie. Zeitweilig war er Vorstand des Instituts für angewandte Ökologie e.V., in Freiburg (ÖKO-Institut). Von 1987 an war er sieben Jahre Mitglied der Klima- Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages.

 

Im Oktober 1992 berief ihn Ernst Ulrich von Weizsäcker zum Direktor der Abteilung Energie am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, wo er 1998 zum Vizepräsidenten ernannt wurde. Gleichzeitig wurde Hennicke an die Bergische Universität Gesamthochschule Wuppertal zum Professor für Energiewirtschaft berufen, wurde aber für seine Tätigkeit als Direktor der Abteilung Energie im Wuppertal Institut beurlaubt. Seit März 2000 ist Hennicke Mitglied der Enquete-Kommission "Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung" des 14. Deutschen Bundestages.

In die Praxis umsetzen, was Wissenschaftler an Visionen konzipieren - so lautet ein wichtiger Grundsatz Hennickes. Für die Wirtschaft und die wissenschaftliche Fachwelt war es Sensation und Aufrüttelung zugleich, daß es ihm mit einer Wissenschaftler-Gruppe um Dieter Seifried vom ÖKO-Institut, Freiburg gelang mit Erich Deppe, dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtwerke Hannover, ein Konzept in die Tat umzusetzen, das Wissenschaftler bisher nur theoretisch abgehandelt hatten: ein Einsparkraftwerk. Einsparkraftwerke so lautet Hennickes Philosophie "könnten bei geeigneten ökologischen Leitplan-ken einen generellen Paradigmenwechsel hin zur Dienstleistungwirtschaft" in einer Ära der Ökonomie des Vermeidens einleiten. Mit der Konsequenz: mehr Wohlstand mit weniger Energie-, Material- und Flächenverbrauch. Und so Deppe und Hennicke gemeinsam: "Wer sich auf Einsparkaftwerke und die Ökonomie des Vermeidens einläßt, muß integrierter denken, planen und handeln".

 

Schließlich gelang ihm gemeinsam mit Prof. Amory Lovins, Leiter des Rocky Mountain Institute in Colorado/USA, in langjähriger Zusammenarbeit ein neues Weltenergieszenario zu entwickeln, ein Faktor-Vier-Szenario, in dem die wesentliche Leitidee lautet: "Klimaschutz und Verzicht auf Kernenergie sind bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts realisierbar, wenn der Steigerung der Energieeffizienz Vorrang vor der Energieerzeugung eingeräumt wird.

 

1999 ist das Szenario als Buch unter dem Titel "Voller Energie - eine Vision" zur Expo 2000 erschienen.

 

"Eine Ökonomie des Vermeidens", so nimmt Hennicke die Politik in die Pflicht, "muß Rahmenbedingungen haben, damit das Vermeiden von Naturverbrauch wirtschaftlich realisierbar und langfristig letztlich profitabler wird als die derzeitige Material- und Energieverschwendung".

 

 

Pressemitteilung des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH

im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen

ViSdP: Wolfram Huncke


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