"Abwehrkämpfe überwiegen - wichtige Zeit verloren"

Eine kurze Einschätzung zu den Verhandlungsergebnissen der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP27 von Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick

  • Statements 21.11.2022

Die 27. UN-Klimakonferenz (Conference of the Parties, kurz COP27) endete am frühen Sonntagmorgen, 20. November 2022 nach sehr schwierigen Verhandlungen mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung. Dass es ein gemeinsames Dokument gibt, ist gut so und über die zwei Wochen nicht immer zu erwarten gewesen. Allerdings sind das Ergebnis selbst und der Prozess ernüchternd: Zwar gab es einen historischen Durchbruch bei der Einrichtung eines Fonds für die Abdeckung von durch den Klimawandel entstandenen Schäden und Verlusten (loss and damage) für die verletzlichsten Staaten. Es ist aber nur mit Not gelungen hinsichtlich der Zielsetzung, die Temperaturerhöhung gegenüber dem vorindustriellen Niveau in Grenzen zu halten, mit der Bestätigung des 1,5-Grad-Ziels nicht hinter Beschlüsse früherer Klimakonferenzen zurückzufallen.

Dominiert wurde die COP27 von vielfältigen Abwehrkämpfen. Vor allem von China, die weiter als Entwicklungs- und Schwellenland anerkannt werden wollen, um nicht in internationale Töpfe einzahlen zu müssen. Aber auch von den großen erdöl- und erdgasproduzierenden Ländern, die vermeiden wollten, dass es neben einer Ausstiegsempfehlung für die Verbrennung von Kohle auch eine gemeinsame Erklärung für die perspektivische Abkehr von Öl und Gas gibt und damit wichtige Investitions- und Innovationsimpulse für nicht-fossile Alternativen. Und nicht zuletzt von Brasilien, die noch bestimmt durch die Bolsonaro-Administration fortschrittliche und dringend notwendige Vorgaben für den Landschafts- und Artenschutz blockiert haben.

COP27 verspielt wichtige Zeit, positive Impulse werden zur Nebensache

Auf der COP27 wurden kaum Fortschritte erreicht, das Tempo für die globale Reduktion der Treibhausgas-Emissionen zu erhöhen. Das ist eine verpasste Chance, sich klar zur globalen Verantwortung zu bekennen und entsprechend zu handeln. Kommt es hier nicht kurzfristig zu einer Umkehr und Einsicht der Staatengemeinschaft, wird es nicht nur schwierig bis unmöglich werden, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, sondern insgesamt die Folgen des Klimawandels in handhabbaren Grenzen zu halten. Dabei zählt gerade mit Blick auf die verletzlichsten Staaten der Welt, aber auch zur Eingrenzung der Zunahme von Anzahl und Intensität der Wetterextreme, bei uns jedes Zehntel Grad.

Aus diesem Gesamtblickwinkel heraus geraten viele positive bi- und multi-laterale Impulse zur Nebensache. Dabei gibt es hier vieles Berichtenswertes, wie beispielsweise den Abschluss einer Joint Energy Transformation Partnership (JETP) mit Indonesien, einem der größten kohleverstromenden Länder; die Unterstützung Ägyptens, dem Gastgeber der COP, für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien; die Wasserstoff-Initiative der deutschen Bundesregierung, die mit weiteren Geldern den Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft vorantreiben will; oder die Absicht der USA, diejenigen, die Produkte oder Dienstleistungen an den amerikanischen Staat verkaufen zu verpflichten, sich auf einen nachprüfbaren Paris-kompatiblen Treibhausgas-Minderungspfad zu begeben.

Insgesamt wurde auf der COP27 aber wichtige Zeit verloren und Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen der Staatengemeinschaft weiter verspielt – zum Schaden für das Weltklima.

Schwierige Rahmenbedingungen direkt zu Beginn der Weltklimakonferenz

Die diesjährige COP hatte von Anfang an mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Dies betrifft die allgemein sehr angespannte geopolitische Lage und die damit verbundene Frage, inwieweit multilaterale Vereinbarungen unter diesen Bedingungen überhaupt möglich sind. Und das in einer Zeit, in der sich die Welt unter anderem hinsichtlich der Bewertung des Angriffskriegs Russland auf die Ukraine und angemessene Reaktionen darauf nicht vollständig einig ist. Zum anderen wurden die Verhandlungen dadurch erschwert, weil die Industrieländer ihr schon auf der COP 2009 in Kopenhagen gegebenes Versprechen gebrochen haben, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung für die Umsetzung von Klimaschutz und -anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Im Vorfeld haben sie zudem keine Bereitschaft gezeigt, einen speziellen Fonds für den Ausgleich von Verlusten und Schäden einzurichten, die durch den Klimawandel verursacht werden.

Vor diesem Hintergrund muss man es schon als Erfolg bezeichnen, dass es auf der COP27 überhaupt zu Vereinbarungen gekommen ist. Grundsätzlich hat sich über die zwei Wochen wieder gezeigt, wie schwierig und langwierig auf Konsens ausgerichtete internationale Verhandlungen sind und dass leider längst nicht alle Staaten trotz der immer sichtbareren Folgen des Klimawandels ihre Verantwortung für eine schnelle Reduktion der Treibhausgase anerkennen. Dies gilt beispielhaft für Länder wie China, die weiter darauf pochen, der Gruppe der G77, also der Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer, zugeordnet zu werden, um damit unter anderem Verpflichtungen zum Einzahlen in einen Entschädigungsfonds entgehen zu können. Gerade die Einordnung von China ist aber mittlerweile hoch umstritten, da die Zuordnung zur G77 bereits 1992 erfolgte – also lange bevor das Land zu der wirtschaftlichen Supermacht wurde, das es jetzt ist. Auch die nahezu vollständige Blockade Brasiliens, dessen Haltung in Sharm El Sheikh noch durch die Bolsonaro-Administration bestimmt wurde, hinsichtlich der wichtigen Diskussion von Zielen und Maßnahmen für den Naturschutz zum Erhalt der Biodiversität aber auch zum Klimaschutz zeigt die Schwierigkeit konsensualer internationaler Prozesse. Zwangsläufig kommt einem das Bild einer zu langsam laufenden Schnecke in den Sinn.

Erfolgreiche Einrichtung eines Entschädigungsfonds – Details allerdings noch offen

Auf der Positivseite des Gipfelbeschlusses steht sicher, dass es nicht nur gelungen ist das Thema Schäden und Verluste erstmals auf die Agenda einer COP27 zu setzen, sondern auch die Grundsatzentscheidung zu treffen, einen Entschädigungsfonds bis zum Jahr 2024 einzurichten und diesen so auszugestalten, dass er ausschließlich den verletzlichsten Staaten zugute kommt. Eine Entscheidung, die angesichts der immer größer werdenden Schere zwischen den Klimawandel-verursachenden Ländern und den am Klimawandel besonders leidenden Ländern überfällig gewesen ist. Allerdings sind viele Details noch offen – insbesondere die Frage, wer in den Fonds einzahlt, wann und wie viel. Es bleibt noch viel zu tun, bis sich das Anerkennen der historischen Schuld auch in konkreten Unterstützungsmaßnahmen niederschlägt.

Mit Blick auf die beiden Verhandlungswochen muss auch als Erfolg gewertet werden, dass das 1,5-Grad-Ziel weiter aufrechterhalten bleibt und man damit nicht hinter die Vereinbarungen vom letzten Klimagipfel in Glasgow zurückfällt. Auf die Beibehaltung des Ziels hatte vor allem die Europäische Union (EU) gedrungen. Mit Recht, denn ein Aufweichen wäre ein verheerendes Signal gewesen, hätte den Handlungsdruck reduziert und zu noch weniger Bereitschaft vieler Länder geführt, ihre Klimaschutzziele zu verschärfen.

Mangelnde Bereitschaft im Vorfeld ist große Enttäuschung

Ohnehin ist die im Vorfeld des Gipfels schon erkennbare geringe Bereitschaft der Staatengemeinschaft, ihre Klimaschutzziele zu erhöhen und ihre Ambitionen zur Umsetzung der schon bestehenden Ziele zu verstärken, eine große Enttäuschung. Diese Schieflage zwischen Handlungsdruck und realem Handeln wird noch dadurch verstärkt, dass es auf der COP nur zu der Verabschiedung eines eher weichen Arbeitsprogramms gekommen ist. Die EU hatte sich dafür eingesetzt, neben dem "Global Stocktake", also einer Zwischenbilanz des bis dato Erreichten, die für nächstes Jahr vorgesehen ist, bis 2030 jedes Jahr Bilanz zu ziehen und damit eine gute Übersicht über die Handlungslücke zu haben und entsprechend darauf reagieren zu können. Ein mehrjähriger Zyklus ist dafür viel zu unscharf.

Klar ist, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Jahr zu Jahr verringert, das 1,5-Grad-Ziel tatsächlich noch einhalten zu können. Der Weltklimarat hatte in seinem letzten, im Jahr 2021 veröffentlichten, Statusreport deutlich gemacht, dass hierfür eine Verringerung der globalen Treibhausgas-Emissionen von mehr als 40 Prozent bis 2030 und das Erreichen von Netto-Null-Emissionen in den frühen 2050er Jahren notwendig ist. Gleichwohl sollte mit Blick auf die schon mit einer Temperaturerhöhung von 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau verbundenen ganz erheblichen Auswirkungen, die bei einem Überschreiten dieser Schwelle zum Teil exponentiell weiter ansteigen – beispielsweise die Zahl der von Wasserknappheiten betroffenen Menschen –, die Zielmarke nicht fahrlässig aus den Augen verloren werden. In jedem Fall lohnt es sich für jedes Zehntelgrad Verringerung der Temperaturerhöhung zu kämpfen. Schon dafür braucht es ambitionierte Zielmarken, gerade auch zum Schutz der verletzlichsten Staaten dieser Welt, aber auch zur Verringerung von Anzahl und Intensität der Wetterextreme bei uns.

Enttäuschend ist ferner, dass es nicht gelungen ist, die Staatengemeinschaft nicht dazu aufzurufen, so schnell wie möglich aus der Nutzung von Kohle auszusteigen, sondern auch perspektivisch auf Erdöl und Erdgas zu verzichten und damit das Zeitalter der fossilen Energieträger zu beenden. Bei aller Unbestimmtheit der Formulierungen wäre das Signal wichtig gewesen und hätte sicher nicht nur dafür sorgen können, die Investitions- und Innovationsdynamik im Bereich der Alternativen zu Kohle, Erdöl und Erdgas zu erhöhen, sondern auch die ökonomischen Risiken der Neuerschließung von Öl- und Gasfeldern, die derzeit in vielen Ländern geplant wird, deutlich herauszustellen. Mit einer klaren Formulierung zum Ausbau erneuerbarer Energien, die über Formulierungen früherer Jahre hinausgeht, setzt die COP27 dennoch positive Akzente.

Klare Botschaften und Initiative zu globalen Klimaschutz-Anstrengungen beflügelten Debatten

Es gab auf der COP27 durchaus viele Initiativen und Auftritte einiger Staatenlenker, die positiv überrascht haben, mindestens aber Schwung in die Debatte gebracht haben und Beiträge zur Zielsicherheit leisten. Hierzu vier Beispiele:

Eine wichtige und zudem klare Botschaft gab es bereits ganz zu Beginn der COP27 von UN-Generalsekretär António Gueterres: Er hat nicht nur sehr deutlich gemacht, wie ernst die Lage ist, sondern auch Klartext zum boomenden Offsetting-Markt und zur Formulierung von Klimaneutralitätszielen von Unternehmen gesprochen. Notwendig ist nach seiner Ansicht, klare und nachvollziehbare Anforderungen an diese zu stellen, um Greenwashing und Beliebigkeit zu vermeiden.

Enorm wichtig war auch der Abschluss einer Joint Energy Transformation Partnership (JETP) mit Indonesien, einem der größten Kohle verstromenden Länder. Die Partnerschaft folgt dem Geiste nach der Verabredung mit Südafrika, die auf der vergangenen COP26 in Glasgow geschlossen wurde. Demnach wollen die USA, Japan und andere Länder ein Klimafinanzierungsabkommen in Höhe von mindestens 15 Milliarden US-Dollar abschließen, damit Indonesien Kohlekraftwerke vorzeitig stilllegt. Für Südafrika wurde letztes Jahr ein Volumen von 8,5 Milliarden. US-Dollar vereinbart. Es bestehen durchaus Chancen, dass derartige Partnerschaften kurzfristig auch für andere Länder wie Vietnam entwickelt werden – Bundeskanzler Scholz hat dazu in der letzten Woche Gespräche geführt.

Ein starkes Signal ging durchaus auch vom Auftritt des amerikanischen Präsidenten Joe Biden aus. Dies lag vielleicht weniger an der länglichen und kleinteiligen Initiative des Weißen Hauses zur Stärkung der nationalen und internationalen Klimaschutz-Anstrengungen, sondern an einem Passus in dem Papier: Darin heißt es, dass die Unternehmen, von denen der amerikanische Staat Güter kauft (immerhin im Wert von 650 Milliarden US-Dollar jedes Jahr und damit ein ganz erhebliches Marktvolumen) verpflichtet werden, sich auf einen nachprüfbaren Paris-kompatiblen Treibhausgas-Minderungspfad zu begeben – wird die Umsetzung nachgehalten, ist dies ein scharfes Schwert.

Weitere Initiativen treiben globale Energiewende voran

Schließlich gab es viele gute weitere Initiativen von einzelnen Ländern, die das Potenzial haben, die globale Energiewende weiter voranbringen zu können. Traditionell adressieren dabei viele Maßnahmen das Gastgeberland, in diesem Jahr Ägypten wie beispielsweise

  • die Unterstützung der USA beim Aufbau von zehn Gigawatt (Wind und Solar)
  • die Wasserstoff-Initiative der Bundesregierung, die mit weiteren Geldern den Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft vorantreiben will. Hierzu hat der Bund gemeinsam mit der staatlichen Förderbank KfW zwei neue Fonds mit einer finanziellen Ausstattung von 550 Millionen Euro ins Leben gerufen.

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