Wasserstoffkernnetz: 90-prozentige Reduktion der Klimaeffekte möglich

Aktuelle Studie: Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff reduziert Betriebsemissionen des deutschen Fernleitungsnetzes deutlich

  • News 16.06.2025

Mit der geplanten Umstellung großer Teile des heutigen Erdgas-Fernleitungsnetzes auf Wasserstoff nimmt ein zentraler Baustein der deutschen Energiewende konkrete Formen an: das Wasserstoffkernnetz. Vor diesem Hintergrund rückt jedoch die Frage in den Fokus: Welche Emissionen entstehen beim reinen Betrieb dieses Netzes – unabhängig von der eigentlichen Energieerzeugung oder -nutzung? Angesichts der laufenden politischen Entscheidungen zum Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur ist eine fundierte Bewertung möglicher Klimaeffekte im Netzbetrieb besonders wichtig.

Ein neuer Artikel des Wuppertal Instituts liefert hierzu erstmals eine detaillierte Analyse der Netzemissionen – und der damit verbundenen Klimawirkung bei der Umstellung des deutschen Fernleitungsnetzes von Erdgas auf Wasserstoff. Im Fokus der Analyse steht dabei der reine Betrieb der Infrastruktur, also der Transport von Gasen durch das Netz, ohne die Herkunft des Wasserstoffs zu berücksichtigen. Die Autoren untersuchen die Emissionen entlang verschiedener Netzkomponenten wie Verdichterstationen, Armaturen oder Rohrleitungen. Sie kommen dabei zu einem deutlichen Ergebnis: Auch beim Transport von Wasserstoff entstehen klimarelevante Emissionen, etwa durch Leckagen, bei denen Wasserstoff in die Atmosphäre entweicht. Im Vergleich zum heutigen Erdgas-Fernleitungsnetz lässt sich die Klimawirkung des Netzbetriebs bei Umstellung auf Wasserstoff jedoch um bis zu 90 Prozent reduzieren. Gleichzeitig machen die Forschenden deutlich, dass der Umbau zu einem klimafreundlichen Wasserstoffnetz nur gelingen kann, wenn neben dem Netzbetrieb auch die Erzeugung und die übrige Infrastruktur berücksichtigt und gezielt dekarbonisiert werden. Dazu zählen sowohl Prozesse in der Vorkette – einschließlich Import – als auch ein zukünftiges klimaneutrales Stromnetz in Deutschland, etwa für den Betrieb von Verdichterstationen.

Wissenschaftlicher Hintergrund der Klimawirkung von Wasserstoff

Auch Wasserstoff hat, ähnlich wie die bekannten Treibhausgase CO2 oder Methan, Auswirkungen auf das Klima – allerdings nur indirekt: Wasserstoff selbst besitzt zwar keine infrarotabsorbierenden Eigenschaften, er beeinflusst jedoch chemische Prozesse in der Atmosphäre. So verzögert er beispielsweise den Abbau von Methan und verstärkt dadurch dessen Treibhausgaseffekt, was indirekt zur globalen Erwärmung beiträgt. Ein besonderer Fokus der Studie liegt daher auf der Einordnung der Klimawirkung von Wasserstoff, ausgedrückt als Global Warming Potential (GWP): Während CO2 als Referenzwert ein GWP von 1 zugewiesen wird, liegt das GWP von Wasserstoff – je nach Studienlage – zwischen 4 und 12. Zum Vergleich: Methan hat über einen Zeitraum von 100 Jahren ein GWP von etwa 30. Die indirekten Effekte von Wasserstoff sind damit zwar geringer als die von Methan, aber deutlich höher als die von CO2 – zumindest, wenn man ausschließlich die GWP-Metrik als Vergleichsgröße heranzieht.

Gleichzeitig warnt das Forschungsteam vor Fehlinterpretationen dieser Zahlen: Ziel der Studie sei daher auch, differenzierte Informationen bereitzustellen und vorschnellen Schlussfolgerungen zur Klimawirksamkeit von Wasserstoff und der zugehörigen Infrastruktur vorzubeugen. Denn das GWP ist eine massenbasierte Kennzahl, die die Klimawirkung pro ausgestoßenem Kilogramm Gas beschreibt. Da Wasserstoff jedoch das Gas mit der höchsten gravimetrischen Energiedichte ist, enthält ein Kilogramm Wasserstoff deutlich mehr Energie als dieselbe Masse anderer Energieträger – etwa Erdgas, dessen Hauptbestandteil Methan ist. Vergleiche der Klimawirksamkeit ausschließlich auf Basis des GWP pro Kilogramm können daher irreführend sein, wenn sie nicht in Relation zur transportierten Energiemenge gesetzt werden.

Der Artikel "From natural gas to hydrogen: Climate impacts of current and future gas transmission networks in Germany" wurde im Fachjournal Frontiers in Energy Research im Rahmen der Special Issue "Climate Implications of Hydrogen Energy Systems" veröffentlicht. Der Artikel steht über den folgenden Link kostenfrei zum Download bereit.


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