Top 10Publikationendes Jahres 2021

Mit dieser Auswahl seiner zehn wichtigsten wissenschaftlichen, referierten Publikationen im Jahr 2021 möchte das Wuppertal Institut einen Einblick in den Stand seiner international wahrgenommenen Forschungsarbeit vor dem Hintergrund seines transdisziplinären Forschungsansatzes geben.

Klima-, Energie- und Ressourcenwende

Henning Wilts, Marina Fecke, Christine Zeher (2021). Economics of waste prevention: second-hand products in Germany

In: Economies 9, 74

Die Wiederverwendung wird nach wie vor als "Nischenphänomen" betrachtet, und die Verbraucher*innen scheinen die mit dem Kauf und Verkauf von Second-Hand-Produkten verbundenen wirtschaftlichen Vorteile ungenutzt zu lassen. Aus diesem Grund konzentriert sich dieses Papier auf Anreize und Hindernisse für den Verkauf und Kauf von Second-Hand-Produkten, wie sie in der Literatur beschrieben werden, und wendet einen theoretischen Rahmen von Transaktionskosten an, um die bestehenden Konsummuster zu erklären. Für diesen Beitrag wurde eine repräsentative Online-Umfrage durchgeführt, an der 1023 Verbraucher*innen in Deutschland im Alter von 16 Jahren und älter teilnahmen. Die Daten wurden auf statistisch signifikante Abweichungen zwischen verschiedenen Gruppen von Wirtschaftsakteur*innen analysiert, die gebrauchte Produkte verkaufen oder kaufen. Die Ergebnisse zeigen, dass wertvolle ungenutzte Produkte in den Haushalten vorhanden sind, aber Barrieren wie Unsicherheiten über die Zuverlässigkeit der Käufer*innen oder die Qualität des Produkts den Übergang zu nachhaltigem Konsum behindern. Unterschiedliche Formen von Transaktionskosten liefern die Begründung dafür, warum Verbraucher*innen dennoch überwiegend neue Produkte kaufen, obwohl sie wissen, dass sie mit gebrauchten Produkten Geld sparen und einen individuellen Beitrag zum Klimaschutz leisten würden.

Nicolas Kreibich, Lukas Hermwille (2021). Caught in between: credibility and feasibility of the voluntary carbon market post-2020

In: Climate Policy 21, S. 939-957

Einerseits haben sich zahlreiche Unternehmen dazu verpflichtet Netto-Null-Emissionen zu erreichen, und viele von ihnen planen, einen Teil der verbleibenden Emissionen durch Emissionsgutschriften auszugleichen, was auf einen Anstieg der künftigen Nachfrage schließen lässt. Andererseits tut sich die Angebotsseite des freiwilligen Kohlenstoffmarktes schwer, ihr Geschäftsmodell mit der neuen rechtlichen Architektur des Pariser Klimaabkommens in Einklang zu bringen. In diesem Artikel werden diese beiden Perspektiven einander gegenübergestellt. Er gibt einen Überblick über die Pläne von 482 großen Unternehmen, die sich in irgendeiner Form zur Klimaneutralität oder Netto-Null verpflichtet haben, und zeigt die Anstrengungen auf der Angebotsseite des freiwilligen Kohlenstoffmarktes ein tragfähiges Geschäftsmodell auf, das die Umweltintegrität gewährleistet und dazu beiträgt, Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass – sofern Kohlenstoff-Gutschriften zum Ausgleich der verbleibenden Emissionen gegenüber den Neutralitätszielen verwendet werden – diese Gutschriften auf die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) der Gastländer angerechnet werden müssen, um die Umweltintegrität zu gewährleisten. Die Umsetzung dieses Ansatzes ist jedoch eine Herausforderung und erfordert innovative Lösungen und politische Unterstützung.

Lisa Graaf, Stefan Werland, Oliver Lah, Emilie Martin, Alvin Mejia, Maria Rosa Munoz Barriga, Hien Thi Thu Nguyen, Edmund Teko, Shritu Shrestha (2021). The other side of the (policy) coin: analyzing exnovation policies for the urban mobility transition in eight cities around the globe

In: Sustainability 13, 9045

Viele Städte auf der ganzen Welt betonen die Notwendigkeit, ihre städtischen Mobilitätssysteme nachhaltiger zu gestalten, um drängende Probleme wie Luftverschmutzung und Lärmbelästigung anzugehen und Maßnahmen zu ergreifen, die helfen den Klimawandel einzudämmen. Während die Förderung von Innovationen ganz oben auf der Agenda sowohl der nationalen als auch der lokalen Behörden steht, wird die bewusste Abkehr von nicht-nachhaltigen Technologien und Praktiken oft vernachlässigt. Diese andere Seite der politischen Medaille, die "Exnovation", ist jedoch ein entscheidendes Element für die Mobilitätstransformation. In diesem Artikel haben die Forschenden einen Rahmen entwickelt, der eine umfassendere Bewertung der Maßnahmen für die urbane Mobilitätstransformation erleichtern soll, indem er systematisch Maßnahmen im Bereich der Exnovation einbezieht. Er verbindet die in Übergangsstudien ermittelten Funktionen der Exnovation mit Erkenntnissen aus Studien zur urbanen Mobilität und empirischen Ergebnissen aus acht Fallstudien in Städten weltweit. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die meisten Städte Exnovationspolitikansätze nutzen, um selektive städtische Mobilitätsprobleme anzugehen – etwa die schrittweise Abschaffung von Dieselbussen, die Beschränkung der Nutzung umweltschädlicher Kraftfahrzeuge in bestimmten Stadtteilen. Die Wissenschaftler*innen fanden jedoch keine Hinweise auf einen systematischen Exnovationsansatz neben der Innovationspolitik. Unser Rahmen spezifiziert die Funktionen der Exnovation für die urbane Mobilitätstransformation, indem er politische Hebel und konkrete Beispiele für Maßnahmen aufzeigt. die Autor*innen hoffen, dass der Rahmen künftige vertiefte Forschung, aber auch politisches Handeln anregt, um die urbane Mobilitätstransformation voranzutreiben.

Miriam Müller, Oscar Reutter (2021). Course change: navigating urban passenger transport toward sustainability through modal shift

In: International Journal of Sustainable Transportation 2021, AHEAD-OF-PRINT, 1-25

Die Einhaltung der 2-Grad-Grenze (vorzugsweise 1,5 Grad Celsius) erfordert schnelle und grundlegende Systemänderungen – auch im städtischen Personenverkehr. Die Verlagerung des Autoverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel ist eine zentrale Strategie, um den städtischen Verkehr nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten. In den meisten Städten ist die Autonutzung jedoch nach wie vor hoch. Daher wird in diesem Papier analysiert, welche Weichenstellungen hinsichtlich Richtung, Ausmaß und Geschwindigkeit des Wandels aus Gründen der städtischen Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes erforderlich sind. Das Papier analysiert die Rolle der Verkehrsverlagerung als eigenständige Strategie und in Verbindung mit Maßnahmen zur Flächennutzung (Vermeidung) und Effizienzsteigerung (Verbesserung). Das Papier stützt sich auf Erkenntnisse aus europäischen Spitzenstädten und auf explorative Prognose-Szenarien, die mit dem hochentwickelten integrierten Landnutzungs-Verkehrsmodell "Ruhrgebiet 2050" berechnet wurden. Das Papier legt nahe, dass eine signifikante Reduzierung der städtischen Autonutzung erforderlich ist (Richtung), die in etwa einer Halbierung der Autonutzung entspricht (Ausmaß), was sich unter den derzeitigen gesellschaftspolitischen Bedingungen durch jährliche Reduktionsraten von 0,5 bis 1,5 Prozentpunkten des reisebezogenen Modalanteils der Autonutzung als machbar erwiesen hat (Geschwindigkeit). Eine deutliche Reduzierung der Pkw-Nutzung erfordert umfassende und hochintensive Maßnahmen, die weit über die üblichen Praktiken hinausgehen. Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung müssen in integrierten Ansätzen mit Flächennutzungs- (Vermeiden) und Effizienzmaßnahmen (Verbessern) eine entscheidende Rolle spielen, weil sie das Potenzial haben, die Pkw-Nutzung und die CO2-Emissionen erheblich zu verringern. Zudem können sie vergleichsweise schnelle Effekte erzielen, was Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung zu ersten Hilfsansätzen macht, um eine schnelle "Beugung der Kurve" der übermäßigen Pkw-Nutzung und der wachsenden CO2-Emissionen zu erreichen.

Katja Witte (2021). Social Acceptance of Carbon Capture and Storage (CCS) from Industrial Applications

In: Sustainability 13, 12278

Um die globale Erwärmung zu begrenzen, wird dem Einsatz von Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Storage, CCS) große Bedeutung beigemessen. Neben den technisch-ökonomischen, ökologischen und politischen Aspekten ist die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz ein entscheidender Faktor für die Umsetzung solcher kohlenstoffarmen Technologien. Diese Studie ist die erste Literaturübersicht, die sich mit der Akzeptanz von CCS in der Industrie (iCCS) beschäftigt. Im Gegensatz zur Stromerzeugung reichen die technischen Möglichkeiten zur großtechnischen Reduktion von CO2-Emissionen im energieintensiven Industriesektor nicht aus, um die angestrebte Treibhausgasneutralität im Industriesektor ohne den Einsatz von CCS zu erreichen. Daher wird es von entscheidender Bedeutung sein, zu ermitteln, welche Faktoren die Akzeptanz von iCCS beeinflussen und wie diese Erkenntnisse für politische und industrielle Entscheidungsprozesse genutzt werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass die Akzeptanz von iCCS bisher nur begrenzt erforscht wurde. Darüber hinaus zeigt die Studie einige wichtige Unterschiede zwischen der Akzeptanz von iCCS und CCS auf. Aufgrund der technischen Vielfalt künftiger iCCS-Anwendungen muss die künftige Akzeptanzforschung in der Lage sein, die Komplexität des Forschungsgegenstandes besser zu erfassen.

Lars J. Nilsson, Frederic Bauer, Max Ahman, Fredrik N. G. Andersson, Chris Bataille, Stephan de la Rue du can, Karin Ericsson, Teis Hansen, Bengt Johansson, Stefan Lechtenböhmer, Mariesse van Sluisveld, Valentin Vogl (2021). An industrial policy framework for transforming energy and emissions intensive industries towards zero emissions

In: Climate Policy 21, S. 1053-1065

Das Ziel der Null-Emissionen setzt einen neuen Standard für die Industrie und die Industriepolitik. Die Industriepolitik des 21. Jahrhunderts muss darauf abzielen, in den energie- und emissionsintensiven Industrien Null-Emissionen zu erreichen. Sektoren wie Stahl, Zement und Chemie sind bisher weitgehend von den Auswirkungen der Klimapolitik unberührt geblieben. Es bedarf eines grundlegenden Wandels von der gegenwärtigen Industriepolitik, die hauptsächlich die Industrie schützt, hin zu politischen Strategien, die die Industrie verändern. Zu diesem Zweck stützen sich die Forschenden des Artikels auf ein breites Spektrum an Literatur – einschließlich Ingenieur-, Wirtschafts-, Politik-, Governance- und Innovationsstudien –, um einen umfassenden industriepolitischen Rahmen vorzuschlagen. Der politische Rahmen stützt sich auf sechs Säulen: Richtungsweisung, Schaffung von Wissen und Innovation, Schaffung und Umgestaltung von Märkten, Aufbau von Kapazitäten für Governance und Wandel, internationale Kohärenz und Sensibilität für die sozioökonomischen Auswirkungen des Ausstiegs. Ergänzende Lösungen, die sich auf technologische, organisatorische und verhaltensbezogene Veränderungen stützen, müssen parallel und über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg angestrebt werden. Die derzeitige Politik beschränkt sich darauf, hauptsächlich einige Optionen zu unterstützen, wie beispielsweise Energieeffizienz und Recycling, wobei einige Regionen auch CO2-Bepreisung einführen. Die energie- und emissionsintensiven Industrien sind dabei jedoch meist ausgenommen. Um Null-Emissionen zu erreichen, muss ein breiteres Spektrum an Optionen verfolgt werden, wie Nachfragesteuerung, Materialeffizienz und Elektrifizierung. Neue politische Forschungs- und Bewertungsansätze sind erforderlich, um Fortschritte zu unterstützen und zu bewerten, da diese Industrien bisher sowohl in der nationalen Klimapolitik als auch bei internationalen Verhandlungen weitgehend außer Acht gelassen wurden.


Modellierung und transdisziplinäre Methoden

Konrad Schoch, Christa Liedtke, Katrin Bienge (2021). Designing on the basis of recycling-metallurgy possibilities: material-specific rules and standards for "anti-dissipative" Products

In: Resources 10, 5

Die Nachfrage nach Metallen aus dem gesamten Periodensystem steigt derzeit aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung. Ihre Verwendung in Elektro- und Elektronikgeräten (EEE) wirft jedoch Probleme auf, da sie in der End-of-Life(EoL)-Phase nicht ausreichend zurückgewonnen werden können. In diesem Beitrag befassen sich die Autor*innen mit der unkontrollierten Freisetzung von Metallen, die durch das Design von Elektro- und Elektronikgeräten verursacht wird, für die es keine weltweit etablierte Recycling-Technologie gibt. Siebeschreiben den Plan der Europäischen Union, eine Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) als politische Antwort auf diese Herausforderung anzustreben. Es fehlt jedoch an Rückmeldungen aus der Design-Perspektive. Bislang ist noch nicht bekannt, welche Auswirkungen es auf Produkte hätte, wenn die Politik den Weg der Kreislaufwirtschaft auf der Ebene der Metalle einschlagen würde. Um hier Klarheit zu schaffen, stellen die Forschenden eine Fallstudie für das chemische Element Indium vor und verknüpfen sie mit der entsprechenden Recycling-Metallurgie von Zink und Blei. Im Ergebnis leiten sie eine erste werkstoffspezifische Regel zur Gestaltung sogenannter "anti-dissipativer" Produkte ab, die eine recyclinggerechte Gestaltung von Elektro- und Elektronikgeräten unterstützt und eine bereits erreichte Kreislaufwirtschaft auf der Materialebene darstellt. Darüber hinaus führen sie die Gestaltung der elektrotechnischen Normung ein. Als vielversprechendes Instrument adressiert der Artikel die mehrdimensionalen Probleme der Rückgewinnung von Metallen aus städtischen Erzen und hilft bei der Herausforderung, die Recycling-Quoten zu erhöhen. Die Ausweitung des Fokus auf andere Recycling-Metallurgien neben Zink und Blei in der weiteren Forschung würde es ermöglichen, den Spielraum für materialspezifische Regelungen zu erweitern.

Matthias Wanner, Boris Bachmann, Timo von Wirth (2021). Contextualising urban experimentation: Analysing the Utopiastadt Campus with the theory of strategic action fields

In: Urban Planning 6, S. 235-248

Praktiken des urbanen Experimentierens gelten derzeit als vielversprechender Ansatz, um Planungsprozesse kollaborativer und anpassungsfähiger zu gestalten. Diese Praktiken entwickeln sich nicht nur im Rahmen von idealtypischen Konzepten für urbane Experimente und urbane Labore, sondern auch organisch in spezifischen Governance-Kontexten. Die Autoren stellen einen solchen organischen Fall in der Stadt Wuppertal vor, in dessen Mittelpunkt eine sogenannte Change-Maker-Initiative, die "Utopiastadt", steht. Diese Initiative schloss sich mit der Stadtverwaltung zusammen und arbeitete mit einem privaten Grundstückseigentümer und der örtlichen Wirtschaftsförderungsgesellschaft in einem ungewöhnlichen Planungsprozess für die Entwicklung einer zentralen Brachfläche zusammen. Am Ende veröffentlichte das Konsortium gemeinsam ein Rahmenkonzept, das die Vision des "Campus Utopiastadt" als ergebnisoffene Aktionsfläche für Pilotprojekte und Experimente zur Nachhaltigkeit und Stadtentwicklung aufgriff. Das Konzept wurde vom Stadtrat angenommen, und Utopiastadt erwarb mehr als 50 Prozent des Grundstücks. Um den breiteren Governance-Kontext und die Machtkämpfe zu analysieren, wendeten die Wissenschaftler die sozial-konstruktivistische Theorie der Strategischen Handlungsfelder (Strategic Action Fields, SAF) an. Sie konzentrierten sich auf die Phasen des Streits und der Einigung, den Wandel der Interaktionsformen, die Rolle eines Gebietsentwicklungsausschusses als interne Governance-Einheit und die Einflüsse von benachbarten Handlungsfeldern, strategischem Handeln und staatlicher Unterstützung auf die Entwicklung. Ihr Ziel ist es, das Potenzial der SAF-Theorie zum Verständnis eines langfristigen Stadtentwicklungsprozesses aufzuzeigen und zu beschreiben, wie sich eine Episode des Experimentierens innerhalb dieses Prozesses entwickelt hat. Sie diskutieren die Unzulänglichkeiten der Theorie und reflektieren kritisch, ob der Prozess dazu beigetragen hat, kollaborative und experimentelle Ansätze bei der Steuerung der Stadtentwicklung zu stärken.

Michael Grubb, Paul Drummond, Alexandra Poncia, Will McDowall, David Popp, Sascha Samadi, Cristina Penasco, Kenneth Gillingham, Sjak Smulders, Matthieu Glachant, Gavin Hassall, Emi Mizuno, Edward S. Rubin, Antoine Dechezlepretre, Giulia Pavan (2021). Induced innovation in energy technologies and systems: a review of evidence and potential implications for CO2 mitigation

In: Environmental Research Letters 16, 043007

Die Autor*innen führten eine systematische, interdisziplinäre Überprüfung der empirischen Literatur durch, in der Belege für induzierte Innovationen im Energiebereich und verwandten Technologien bewertet werden. Sieuntersuchten die Zusammenhänge zwischen nachfrageseitigen Triebkräften (sowohl marktweit als auch gezielt), Innovationsindikatoren (vor allem Patente) und Ergebnissen (Kostensenkung, Effizienz und sektorübergreifende bzw. makroökonomische Auswirkungen). Die Forschenden stützen sich dabei auf bestehende Übersichten in verschiedenen Bereichen und bewerteten über 200 Arbeiten mit Original-Datenanalysen. In der Literatur dominieren Arbeiten, die die treibenden Kräfte mit Patenten und Indikatoren für die kumulative Fähigkeit zur Kostensenkung (Erfahrungskurven) in Verbindung bringen. Erstere stellen keine direkte Verbindung zwischen Patenten und Ergebnissen her. Letztere testen nicht direkt auf die kausalen Auswirkungen von Patenten auf Kostensenkungen. Diverse andere Literaturen liefern zusätzliche Belege für die Zusammenhänge zwischen Einsatz, Innovationsaktivitäten und Ergebnissen. Die Wissenschaftler*innen leiten drei Hauptschlussfolgerungen ab:

  • Nachfrageseitige Kräfte fördern die Patentierung und ökonometrische Studien finden in der Industrie, im Elektrizitäts- und im Verkehrssektor in allen bis auf wenige Ausnahmen positive Auswirkungen. Dies gilt für alle Triebkräfte – allgemeine Energiepreise, Kohlenstoffpreise und gezielte Interventionen, die Märkte aufbauen.
  • Die Technologiekosten sinken mit den kumulierten Investitionen für fast jede untersuchte Technologie über alle Zeiträume hinweg, wenn andere Faktoren kontrolliert werden. Zahlreiche Belege deuten auf eine dominante Kausalität zwischen der Einführung in großem Maßstab (vor der selbsttragenden Verbreitung) und der Kostensenkung in dieser Beziehung hin.
  • Insgesamt ist die Innovation kumulativ, vielschichtig und in ihrer Richtung selbstverstärkend (pfadabhängig).

Sie schließen mit kurzen Bemerkungen zu den Implikationen für die Modellierung und die Politik. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse schlagen die Autor*innen vor, die Ökonomie des aktiven Einsatzes von den eher passiven Verbreitungsprozessen zu unterscheiden und ziehen die folgenden Schlüsse: Politische Vielfalt und Experimente spielen eine Rolle, wobei die potenziellen Gewinne aus Innovationen im weitesten Sinne bewertet werden sollten. Folglich ist die Endogenisierung der Innovation in groß angelegten Modellen wichtig für die Ableitung politikrelevanter Schlussfolgerungen. Schließlich könnte die Verknüpfung der quantitativen wirtschaftlichen Bewertung mit der qualitativen Literatur zu soziotechnischen Übergängen ein fruchtbarer Bereich für künftige Forschung sein.

Lena Tholen, Anna Leipprand, Dagmar Kiyar, Sarah Maier, Male Küper, Thomas Adisorn, Andreas Fischer (2021). The green hydrogen puzzle: towards a German policy framework for industry

In: Sustainability 13, 12626

Grüner Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle beim Aufbau einer klimaneutralen energieintensiven Industrie spielen, da Schlüsseltechnologien zur Defossilisierung der Stahlproduktion und der chemischen Grundstoffe von ihm abhängen. Daher muss die Politik die Schaffung eines Marktes für grünen Wasserstoff und seine Verwendung in der Industrie unterstützen. Es ist jedoch unklar, wie geeignete politische Maßnahmen gestaltet werden sollten, und es gilt, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen. Auf der Grundlage einer Analyse der laufenden Debatte in Deutschland über die Wasserstoff-Politik wird in diesem Papier untersucht, wie die Politik für die Entwicklung von grünem Wasserstoff die Defossilisierung der Industrie unterstützen kann. Für die Bewertung der politischen Instrumente wird eine vereinfachte multikriterielle Analyse (MCA) mit einem innovativen Ansatz verwendet, der Kriterien aus spezifischen Herausforderungen ableitet. Die Autor*innen haben vier Herausforderungen und sieben relevante politische Instrumente identifiziert. Die Ergebnisse der MCA zeigen das Potenzial jedes der ausgewählten Instrumente zur Bewältigung der Herausforderungen auf. Darüber hinaus legen sie dar, wie die Instrumente kombiniert werden können, um die Defossilisierung der Industrie zu unterstützen, Synergien zu schaffen und Kompromisse zu vermeiden. Die Auswirkungen ihrer Ergebnisse lassen sich auch auf andere Länder übertragen. Die Ergebnisse sind auch für politische Entscheidungsträger*innen in anderen Ländern mit energieintensiven Industrien relevant, die die Weichen für eine Wasserstoff-Zukunft stellen wollen.


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